Pressemappe 04/2019: Das Schweigen der Männer

Männer werden gerne als „Vorsorge-ignorant“ bezeichnet. Tatsächlich nehmen sie Früherkennungs-Untersuchungen bei weitem nicht so regelmäßig wahr, wie Frauen. Sie kommen meist erst in einem späteren Lebensabschnitt zur Vorsorge und auch im Falle einer Krebserkrankung „ticken“ sie anders als Frauen.

Wien, 3. April 2019: Männer werden gerne als „Vorsorge-ignorant“ bezeichnet. Tatsächlich nehmen sie Früherkennungs-Untersuchungen bei weitem nicht so regelmäßig wahr, wie Frauen. Sie kommen meist erst in einem späteren Lebensabschnitt zur Vorsorge und auch im Falle einer Krebserkrankung „ticken“ sie anders als Frauen. Es braucht daher geschlechterspezifische Information und Betreuung. Die Österreichische Krebshilfe und Österreichs Urologen nehmen zum Start der diesjährigen Loose Tie-Aktion den Mann als „Vorsorge-Muffel“ und als „onkologischen Patienten“ genauer unter die Lupe und möchten sie positiv motivieren, sich aktiv um ihre Gesundheit anzunehmen.

Seit 2015 nimmt sich die Österreichische Krebshilfe gemeinsam mit Österreichs Urologen die Zielgruppe der 45+ Männer vor, um sie an die Prostatakrebs-Früherkennung zu erinnern. Denn Stress, zu viele Termine und vor allem der Irrglaube, es trifft ja ohnedies immer nur „die anderen“ führen dazu, dass sie Vorsorgeuntersuchungen gerne „ausblenden“. Und viele Erinnerungen sind notwendig, um Mann zur Prostata-Vorsorge zu motivieren.

Obwohl das Wissen über die empfohlenen Früherkennungsuntersuchung bei Männern vorhanden ist, wird sie nur zögerlich in Anspruch genommen: „2015 kannten 73 % der Männer über 45 die Möglichkeit, Prostatakrebs früh zu erkennen. Allerdings war nur knapp die Hälfte von ihnen schon einmal bei dieser Untersuchung,“ erklärt Krebshilfe Präsident Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda. „Männer kommen oft viel zu spät zu den empfohlenen Vorsorge-Untersuchungen und werden dann meist von ihren Frauen geschickt,“so Sevelda.

Das ist auch der Grund, warum die Österreichische Krebshilfegemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Urologie und dem Berufsverband der österreichischen Urologen im April alle Männer ab 45 aufruft, ihre Krawatten zu lockern, den Alltagsstress einmal beiseite zu lassen und sich Zeit für die Prostatavorsorge zu nehmen. „Mit der lockeren Krawatte möchten wir ein Bewusstsein schaffen und zugleich an diese wichtige Untersuchung erinnern,“ begründet Sevelda.

Früherkennung rettet Leben

Im Jahr 2016 erkrankten 5.245 Männer an Prostatakrebs. Die doch recht deutliche Steigerunggegenüber demVorjahr (2015: 4.968) ist vor allem auf die verbesserte Früherkennung zurückzuführen. „Die Vorsorge-Untersuchung durch den Facharzt umfasst eine genaue Erhebung der Risikofaktoren, die Tastuntersuchung (digitale rektale Untersuchung) der Prostata, die PSA(Prostata spezifisches Antigen)-Bestimmung aus dem Blut sowie eine Ultraschall-Untersuchung,“ so Dr. Karl Dorfinger, Präsident des Berufsverbandes der österreichischen Urologen.

Das Ergebnis der Untersuchungen bestimmt das Intervall zum nächst fälligen Früherkennungs-Termin. „Dieses Intervall kann bis zu 4 Jahre sein. Wichtig ist, ab dem 45. Geburtstag mit der Früherkennung zu beginnen. Männer, in deren Familie Prostatakrebs bereits aufgetreten ist, sollten sich schon ab dem 40. Lebensjahr dafür Zeit nehmen,“ so Dorfinger.

Die Gründe dafür, warum so viele Männer diese wichtige Untersuchung „vergessen“, sind für Dorfinger nicht unbekannt: „Viele Männer blenden einfach aus, dass sie auch ihre Gesundheit „warten“ könnten – so wie ihr Auto. Zum Urologen kommen sie im Schnitt erst weit über 50 und dann werden sie meist von ihren Frauen geschickt“, so Dorfinger. Dabei ist die Angst vor dem Prostatacheck unbegründet. „Die digital rektale Untersuchung – also die Tastuntersuchung der Prostata – vor der sich viele Männer unwohl fühlen, dauert nicht länger als eine Minute“, so der Urologe.

Bessere Therapieoptionen durch Früherkennung

Die Früherkennung legt auch den Grundstein für eine erfolgreiche Therapie des Prostatakarzinoms.Je früher die Erkrankung erkannt und die Tumoreigenschaften festgestellt werden, umso höher sind die Heilungschancen. „Es gibt verschiedene Formen von Prostatakrebs, nicht jeder ist lebensbedrohlich und muss sofort behandelt werden,“ erklärt Prim.- Prof. Dr. Christoph Klingler, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Urologie.

In den vergangenen Jahren hat sich die sogenannte „ActiveSurveillance“ (aktives Überwachen) als Behandlungsstrategie von wenig aggressiven und daher langsam wachsenden Prostatakarzinomen zunehmend etabliert. Dabei wird der Tumor in regelmäßigen Verlaufskontrollen überwacht. Eine Therapie kommt erst dann zum Einsatz, wenn sich der Tumor verändert, oder der Patient es wünscht. Durch diese Behandlungsstrategie kann eine aktive Therapie erst (viel) später erfolgen. „Diese Option nimmt vielen Patienten die Angst vor einer Operation und damit verbundenen Folgen wie Inkontinenz und Impotenz,“ so Klingler.

Bei anderen, aggressiven Prostatatumoren wird eine aktive Therapie (Bestrahlung oder eine Radikaloperation) notwendig. Wichtig ist, dass die Wahl der Therapiemethode gemeinsam mit dem Patienten erfolgt, unter Abwägung aller Vor- und Nachteile, um die für ihn beste individuelle Therapieoption zu finden.„Vor allem ein vertrauensvolles und offenes ärztliches Gespräch ist dafür unerlässlich – gerne auch unter Einbeziehung einer Vertrauensperson. Aber leider erleben wir häufig, dass sich Männer nicht trauen, hier wichtige Fragen über den möglichen Therapieerfolg, aber auch Nebenwirkungen der jeweiligen Behandlung zu stellen,“ berichtet Klingler. „DieseSituation bedeutet für viele Kontrollverlust und macht sie hilflos.“

Psychoonkologische Beratung: Den Männern aus dem Schweigen helfen

Auch dieÖsterreichische Krebshilfe erlebt das Schweigen der Männer: Die BeraterInnen der Krebshilfe führen pro Jahr rund 22.000 Gespräche mit PatientInnen und Angehörigen, die Hilfe und Unterstützung auf ihrem Weg durch die Krebserkrankung in Anspruch nehmen. Zwei Drittel davon werden mit Frauen geführt, nur ein Drittel mit Männern. Hier sind es vor allem jüngere Männer, die das Unterstützungsangebot in Anspruch nehmen. Der ältere Mann kommt weniger oft und wenn er kommt, wird er meistens von der Partnerin dazu überredet. „Er kommt ihr zuliebe“, präzisiert Mag. Karin Isak, Beratungsstellenleiterin der Österreichischen Krebshilfe Wien.

Es ist vor allem der unterschiedliche Umgang mit der Erkrankung und der Verarbeitung von Problemen, der bei der Männerberatung berücksichtigt werden muss. „Männer sind eher rational und finden schwerer den Zugang zu ihren Emotionen. Sie können diese auch nicht so gut benennen wie Frauen. Schon dadurch ergibt sich eine Sprachlosigkeit,“ so Isak. Auffallend auch, dass Männer meist lösungs- und handlungsorientiert mit ihrer Diagnose umgehen. „Daher fragen sie sich meist auch, was ihnen eine psychoonkologische Beratung bringen soll, welchen Nutzen sie davon haben.“

Ein Beratungsangebot anzunehmen, bedeutet für viele Männer ein Eingeständnis von Schwäche und Hilflosigkeit. Viele Patienten stellen daher den Anspruch an sich, diese Herausforderung alleine tragen und lösen zu müssen. „Sich einer fremden Person anzuvertrauen, fällt manchmal schwer,“ weiß auch Karin Isak. Die Krebshilfe hat daher für die Beratung von männlichen Krebspatienten spezielle Angebote entwickelt. Bei der Krebshilfe Wien werden eigene Gruppensitzungen angeboten, bei denen sich Patienten untereinander austauschen und von dem begleitenden Psychoonkologen Hilfe holen können, wenn sie möchten. Die Krebshilfe Oberösterreich bietet persönliche Beratungen zu Sexualität und Intimität bei urologischen Krebserkrankungen an.

Gute Erfahrung mit einer psychoonkologischen Begleitung machte auch Alexander Greiner. Der Autor und ehemalige Hodenkrebspatient holte sich bei der Krebshilfe Unterstützung, um mit dieser Ausnahmesituation besser umgehen zu können. „Neben ausgiebigen Gesprächen mit meinen Vertrauenspersonen, den Ärzten und der Krebshilfe-Psychoonkologin halfen mir Meditation und Selbsthypnose, die Situation zu akzeptieren und mich auf die Heilung zu konzentrieren,“ erzählt Greiner. Sein Rat an alle Betroffenen: „Jeder hat seinen persönlichen Weg, um mit der Erkrankung umzugehen. Für mich war es zielführender, die eigenen Kräfte zu aktivieren und die Therapie mit positivem Blick auf die Verbesserung der Lebensqualität zu sehen. In Begleitung geht sich dieser Weg um einiges leichter. Sich helfen zu lassen, bedeutet nicht, schwach oder hilflos zu sein, sondern gestärkt und selbstbestimmt zu leben.“

Pressemappe „Das Schweigen der Männer“
zum Download (PDF):  
Pressemappe_PK_2019

Weitere Informationen:

Österreichische Krebshilfe: service(at)krebshilfe.netwww.krebshilfe.net
Österreichische Krebshilfe Wien: Männergruppe, Infos und Termine unter Tel. 0800/699 99
oder www.krebshilfe-wien.at

Österreichische Krebshilfe Oberösterreich: Persönliche Beratung zu Sexualität und Intimität mit/nach urologischen Tumoren, Infos und Termine unter Tel. 0732/777756 oder www.krebshilfe-ooe.at

Fotos: Krebshilfe / Stefan Diesner